IT-gestütztes Kampagnenmanagement auch im Change?

IT-gestütztes Kampagnenmanagement auch im Change? – Ja, aber …

Was ist fluides, IT-gestütztes Kampagnenmanagement?

IT-gestütztes, sogenanntes „fluides“ Kampagnenmanagement ist die neue Wunderwaffe der Kampagnenstrategen. Dabei identifizieren intelligente, lernende Algorithmen permanent Zielgruppen und passen die Ansprache an die spezifischen Interessen und Bedürfnisse der Zielgruppen an.

Der Mechanismus ist im Prinzip einfach und jeder Amazon Kunde kennt ihn: ‚Kunden, die dieses Produkt kauften, kauften auch das Produkt xy“. Inzwischen haben diese Algorithmen eine unglaubliche Prognosemacht und können unterschiedliche Soziale Mediengleichzeitig bespielen. Nach zehn likes in facebook kann ein Algorithmus mittlerweile ein zuverlässigeres Persönlichkeitsprofil zeichnen als ein Big5 Persönlichkeitstest. Dabei zeichnen unsere permanenten Spuren im Netz ein wesentlich präziseres und dynamischeres Bild von uns, das ich auch noch ständig verfeinert.
Darauf setzen fluide oder IT-gestützte Kampagnen auf und passen ihre Ansprache kontinuierlich diesen Profilen an. Sie ‚knacken‘ die Codes dieser Communities. Sie gruppieren und bilden Communities, entwickeln Strategien, nutzen Multiplikatoren und steuern Zielgruppen praktisch auf individueller Ebene punktgenau – und das sowohl emotional als auch kognitiv.

Donald Trumps Wahlerfolg, der unter anderem auf solchen Strategien von ‚Cambridge Analytics Inc.‘ beruhte, war der eindrücklichste Beweis der Wirksamkeit IT-gestützter Kampagnen.

Wie wirksam ist fluides Kampagnenmanagement für organisationsinterne Change Projekte?

In Change Projekten geht es vor allem darum, das Erleben und Verhalten von Menschen – Mitarbeitern – gezielt zu verändern und diese auf ein neues Ziel „auszurichten“.
Sind Mitarbeiter nicht weit mehr als eine Community in einem fluiden Kampagnenprojekt?

Es spricht eine Menge dagegen! Und trotzdem gibt es einige Analogien zwischen moderner Kommunikation und Change-Management.

Zunächst zwei Gründe, warum sich diese Mechanismen nicht so einfach auf Change-Management übertragen lassen:

Erstens: der Erfolg dieser fluiden Kampagnen beruht auf dem Gesetz der großen Zahlen. Die Algorithmen bilden Profile, indem Sie unterschiedlichste Datenquellen in sozialen Medien verknüpfen. Bis auf einige Großkonzerne sind die Mitarbeiterzahlen in den meisten Unternehmen überschaubar. Der Zugang zu Datenquellen wie sozialen Medien ist für Arbeitgeber eingeschränkter – zumindest nicht beliebig nutzbar.

Zweitens: Fluide Kampagnen beruhen darüber hinaus darauf, dass sie nicht durchschaubar, also zunächst nicht als Marketing-Strategien erkennbar sind. Dass ausgerechnet mein Lieblings-Serienstar mit einem Mercedes Cabrio nicht ganz zufällig genau zu einem bestimmten Zeitpunkt in meinem Instagram-Account auftaucht – darauf muss man erst mal kommen!

In einer Change-Kampagne ist der Sender dagegen der eigene Arbeitgeber. Botschaften in internen Change Kampagnen sind direkt sichtbar interessengeleitet:
Werdet agiler! Akzeptiert neue Rollenanforderungen! Verlasst Euer Silo-Denken! Kollaboriert international! Akzeptiert den neuen chinesischen Anteilseigner! Ändert Eure Führungskultur! Denkt in Lösungen und Service – nicht mehr in Produkten!
Als Mitarbeiter habe ich – anders als im Netz – eine Vielzahl von Beobachtungspunkten, ein ganzheitliches, ‚systemisches‘ Empfinden, einen 6. Sinn dafür, wo die Botschaften genau herkommen und wie konsistent sie zu dem passen, was ich täglich erlebe.

Zwar lässt sich mit Data Mining und künstlicher Intelligenz auch in Unternehmen in Zukunft eine Menge machen – etwa im Bereich Corporate Learning, Kompetenz- oder Knowledge Management – aber ob sich interne Communities so einfach bilden und ‚steuern‘ lassen wie externe ist sehr fraglich.
Trotzdem gibt es eine Menge Dinge, die sich aus den Erfahrungen fluider IT-gestützter Marketingkampagnen fürs Change-Management lernen lassen:

  1. It‘s the emotions, stupid! Die fluiden Marketingalgorithmen arbeiten mit Emotionen, mit Bedürfnissen, Ängsten, profilieren ständig Persönlichkeiten, Präferenzen, Erwartungen, Einstellungen und liefern daraus zielgenau Impulse. Das ist der finale ‚Beweis‘ für die Vermutung jedes Change Managers: Emotion und Kognition sind mindestens gleich wichtig! Es sollte endgültig vorbei sein mit der ‚platten‘ Erwartung an die Unternehmenskommunikation doch bitte (starre, kognitive) Botschaften an bestimmte Zielgruppen im Unternehmen zu ‚senden‘. Mitarbeiter sind zu informiert, zu intelligent, zu reflexiv, um durchschaubare interne Kommunikationskampagnen zu akzeptieren. Mitarbeiter hinterfragen Absender und Absichten direkt! Sie sind damit nicht so leicht williges ‚Objekt‘ von interner Kommunikation mit dem Charme von ‚Hofberichterstattung‘. Also Schluss mit Botschaften – Zielgruppen-Denken! Glaubwürdigkeit entsteht anders – nämlich durch Relevanz, Qualität und direkter Betroffenheit (what’s in it of me?)!
  2. „Walk the talk“. Soziale Medien ‚verwischen‘ Grenzen von zwischen dem ‚Innen‘ und ‚Außen‘ von Unternehmen. Unternehmen werden dadurch transparenter. Botschaften einer Organisation auf Arbeits- oder Kundenmärkte müssen deshalb konsistent sein mit der gelebten Kultur im Unternehmen. Deswegen werden Kommunikation, Werbung und Vertrieb immer mehr zusammenwachsen. Bei jeder nach außen gerichteten Kampagne könnte man deshalb zunächst fragen: ‚Sind wir das wirklich?‘. Es geht hier um das „walk the talk“, Story Doing ist wichtiger als Story telling!
  3. Kommunikation wird hybride. Mitarbeiter werden durch ihre zunehmende Vernetzung in Sozialen Medien zu wichtigen Multiplikatoren und ‚Resonanzboden‘ für externe Kampagnen. Jede externe Kampagne sollte ein komplementär in der internen Kommunikation haben. Change-Management und externe Kommunikation werden zu Hybriden werden.
  4. Denken in Communities. Die Big Data Algorithmen bilden Communities und Zielgruppen entlang gemeinsamer Interessen, Bedürfnisse, Ängste, Gefühlslagen, Haltungen und Identitäten. Gutes Change-Management ‚clustert‘ und arbeitet ebenfalls mit internen Gruppen, die nicht notwendigerweise entlang von Organisationsgrenzen oder Funktionen verlaufen.
  5. Dynamik und Responsivität intensivieren: Fluide Kampagnen sind hochreaktiv. Change-Management muss ebenfalls dynamischer und schneller werden. Erforderlich ist die permanente Interaktion mit den internen Communities sein. Das erfordert die Abkehr von klassischen ‚Roll out‘-Programmen, starren Kommunikationsplänen. Die Change Architektur in ihrem Projektansatz muss sich entsprechend anpassen.
  6. Empathie fördern. Interne Kommunikation hat gegenüber der externen, virtuellen einen entscheidenden Vorteil: Sie ist in weiten Teilen direkt und persönlich. Das Ausloten von Bedürfnissen und Gefühlen nennt man in der Nicht-digitalen Welt Empathie. In einer zunehmend komplexeren, globaler agierenden Organisation müssen Führungskräfte das oftmals wieder lernen. Change-Management kann Beratungs-Formate anbieten, die systematisch Empathie für Zielgruppen und Communities entwickeln lassen. Empathie fängt im Management Team an: gute, durchdachte Change Projekte starten mit Klausuren, Rückzugsräumen, mit Quality Time, in denen das Management wirklich ungestört Zeit hat, ein konsistentes, glaubwürdiges Bild zu entwickeln.
  7. Soziale Räume schaffen. Change-Management kann zusätzlich zu virtuellen vor allem auch soziale Räume gestalten. Ein Team oder eine Organisation wirklich in einen ‚flow‘ zu führen, erfordert mehr als Soziale Medien-Kampagnen. Auch die HR Organisation ist hier in besonderer Weise gefragt, Beschäftigungs- und Rahmenbedingungen zu entwickeln, die sich konsistent mit den Change-Ansätzen wider spiegeln.
  8. Partizipation ermöglichen. Veränderungen sind zunächst bedrohlich. Anders als ein Klick auf den ‚buy‘-button betreffen Change Maßnahmen oft unmittelbar eine Vielzahl von Bedürfnissen nach Anerkennung, Selbstentfaltung, Status und Sicherheit. Gleichzeitig sind moderne Arbeitnehmer (oder freie Mitarbeiter oder Berater) auf immer transparenteren Arbeitsmärkten aktiv – die Loyalität durch Alternativlosigkeit nimmt ab. Mitarbeiter sind informierter, mündiger. Das Credo ‚Betroffene zu Beteiligten machen‘ der Organisationsentwickler der 70’er Jahre bekommt in der Digitalisierung eine ganz neue Dimension: An der Gestaltung von Veränderung aktiv beteiligt zu sein, statt Opfer von Verhaltensapellen zu werden, ist der Schlüssel zu Vermeidung von Unsicherheit in einer Arbeitswelt, die durch Digitalisierung immer schneller wird.

 

Echte Schönheit kommt von innen.

Change Manager müssen Instrumente und Methoden fluider, IT-gestützter medialer Kampagnen kennen. Und sie müssen daran anschlussfähig sein. Aber die IT wird ihnen nicht – wie den Werbern -einen großen Teil der Arbeit abnehmen. Change ist zunächst Hand-, Kopf-, und vor allem Herz-Arbeit. Sie beginnt mit der Arbeit mit dem Führungsteam der Organisation. Der Fisch muss vom Kopf her duften! Hier ist klassische Workshop-Arbeit gefragt. Inkonsistenzen, Widersprüche, Konflikte sind aufzudecken und beseitigen. Wie ein Osteopath oder Physiotherapeut, der mit viel Gefühl und Erfahrung Ursachen und nicht auf den ersten Blick sichtbare Wirkungszusammenhänge identifiziert. Der Change Manager muss die Organisation zur Selbstreflektion führen und Empathie für unterschiedlichste Stakeholder einer Veränderung entwickeln. Dabei können digitale Formate helfen. Veränderung beginnt jedoch zunächst ganz ‚analog‘ – mit persönlicher Interaktion und vor allem mit einem ganz anderen Anspruch: Change macht Menschen zu Subjekten – nicht Objekten – von Veränderung! Und das schafft erst die nötige Offenheit und das (Selbst-)bewußtsein  für fluides Kampagnenmanagement nach außen.

 

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