h&z HR BarCamp am 24.09.2020

In einem ersten h&z HR BarCamp hatten wir diese Woche eine spannende Diskussion mit HR Professionals aus 7 Unternehmen zur Frage ‚HR, whats next? – Wie geht es für HR nach Corona weiter?‘.

Das HR BarCamp war nicht nur das Erste, auf HR als Funktion gerichtete Symposium von h&z, es war auch eine Premiere im neuen h&z-Gebäude: Direkt gegenüber dem Haus der Bayerischen Wirtschaft steht jetzt die neue Heimat der Unternehmensberatung h&z in München.  Frisch bezogen. Das HR BarCamp war die erste Kundenveranstaltung in der brandneuen Bar Centrale im Foyer – natürlich unter Einhaltung strengster Corona-Hygienevorschriften mit einer limitierten Anzahl an Personen, viel Abstand und trotzdem intensiver Diskussion mit Vertreter*innen von Siemens, Airbus, GEMA, Digital Charging Solutions, TDX, Atreus und Wirecard.

HR in der Krise über sich selbst hinausgewachsen?

Eine kleine Expertenbefragung im August dieses Jahres hat ein paar erste Erkenntnisse und Hypothesen generiert, die Bernadette Becker, Christiane Niess und Alexander Gisdakis vortrugen und mit der Gruppe diskutierten.
HR ist in der Corona-Krise in allen Unternehmen eine neue zentrale Rolle bei der Krisenbewältigung zugewachsen. Plötzlich am Tisch der lebenswichtigen Entscheidungen – es geht um die Mitarbeiter*innen:  Wie schützen wir diese vor Infektionen? Wie gestalten wir kurzfristig Home Office? Wie bekommen wir staatliche Hilfen für Kurzarbeit? Wie unterstützen wir Führungskräfte beim virtuellen Führen?
Thomas Hierlemann (Airbus) betonte, wie wichtig es war, dass HR in der Zeit des Lockdowns für die Mitarbeiter*innen immer persönlich präsent war im Unternehmen. „Wir waren die, die immer ansprechbar waren für die Mitarbeiter.“.
Annegret Jansen (Wirecard) berichtete von der doppelten Krise in ihrem Unternehmen: Mitten in der Corona-Krise schlug die Insolvenz ein wie eine Bombe. Dadurch wuchs HR eine völlig neue Rolle in Krisenbewältigung und als zentrale Anlaufstelle und emotionaler Anker für die Mitarbeiter*innen in der Organisation zu.
„Wir waren die, an die sich alle gewandt haben als kaum mehr eine Führungskraft ansprechbar war.“. Trotz tragischem Ende sind viele HR-Mitarbeiter*innen in dieser speziellen Wirecard-Krise über sich hinausgewachsen und haben Verantwortung übernommen.

Lessons Learned für HR aus der Krise

Ein paar Lehren aus den ersten Monaten dieser Krise (die ja noch nicht vorbei ist!)  konnten wir gemeinsam ziehen und auch für HR generalisieren:

  1. Wenn es sein muss, geht es auch sehr schnell und unkompliziert. Notwendige ‚hands-on‘ Entscheidungen haben in allen anwesenden Unternehmen HR näher ans Management herangerückt.
  2. Auch HR hat sich in der Krise neue digitale Kommunikationskanäle erschlossen sowie neue Formate, um Mitarbeiter*innen zusammenzubringen. Sylvia Stelzer (DCS): „Wir haben viele neue Ideen entwickelt und ausprobiert, wie wir den Mitarbeitern auch virtuell näher rücken können und den Teamgeist stärken.“.
  3. Außerdem zeigt sich in der Krise auch, welche Funktionen im Unternehmen Schlüsselfunktionen sind und darüber hinaus, welche Führungskräfte wirkliche Führungsqualitäten offenbart haben. Dirk Haselhorst (GEMA): „Wir wussten immer schon, dass wir Manager und Leader haben. Jetzt haben wir gesehen, wer unsere Leader sind und wozu wir sie gerade in Krisen wirklich brauchen.“.

 

Annegret Jansen (Wirecard): „Bei uns waren es vielfach nicht nur die Führungskräfte, die Führungsstärke, Zuversicht und Tatkraft gezeigt haben, sondern auch ganz normale Mitarbeiter aus den Teams haben plötzlich gezeigt was in ihnen steckt.“.
Alle waren sich einig darüber, dass in dieser Krise ein ungeplanter Kulturwandel begonnen hat, der sich nicht mehr zurückschrauben lässt.

Hypothesen zur Zukunft von HR nach der Corona-Krise

Alexander Gisdakis und Christiane Niess präsentierten ihre Vision und Prognosen zu den Kernthemen für HR nach der Krise in Form von Hypothesen, die ausführlich reflektiert wurden.

Bei den Anwesenden herrschte Einigkeit darüber, dass auch bei einem schnellen Abklingen der Pandemie durch eine Impfung kein Zurückschwingen zurück zur Arbeitswelt, wie sie vor Corona war, mehr möglich sein wird.
Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. Durch die Pandemie haben sich Wertschöpfungsketten nachhaltig verändert – ganze Branchen werden Jahre brauchen, um sich zu erholen (etwa Flugzeugindustrie).
  2. Die Schwelle zu Home Office ist endgültig überschritten worden. Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter*innen haben den Nutzen erkannt. Unternehmen wie Siemens haben sich sogar schon konkrete Ziele gesetzt: 2-3 Tage Mobile Working pro Woche weltweit als Standard. Diese Standards werden sich etablieren. Dies bedeutet auch, dass es zukünftig von politischer Seite ein Neudenken sowie Änderungen v.a. bei steuerlichen und bei Arbeitsschutz-Gesetzen geben müsste.
  3. Auch die meisten zuvor Home Office kritisch gegenüberstehenden Führungskräfte haben in der Corona Krise ihren persönlichen Rubikon überschritten und haben Vertrauen auch in die eigenen virtuellen Führungsfähigkeiten gefasst. Allerdings weisen Markus Kreysa und Thomas Hierlemann darauf hin, dass es dazu in produzierenden Unternehmen ein sehr differenziertes Vorgehen braucht. Und damit ein neues Spannungsfeld entsteht: Wer darf Home Office machen und wer hat qua Funktion Präsenzpflichten? Und wie lässt sich das in einem Unternehmen sinnvoll und fair regeln?
  4. Die digitalen Technologien, die mit virtuellem Arbeiten in Bezug stehen, haben sich in allen anwesenden Unternehmen in den letzten Krisenmonaten sprunghaft entwickelt und der virtuose Umgang mit online Sessions hat überall neue Standards erreicht. Dennoch zeigen sich auch Ermüdungserscheinungen bei einigen Mitarbeiter*innen und gelegentliche persönliche Treffen im Büro werden allgemein als heilsam und notwendig erlebt.
  5. Viele Mitarbeiter*innen passen sich schon in ihren persönlichen Lebensverhältnissen an die neuen virtuellen Home Office Arbeitsformen an. Etwa durch einen Umzug aufs Land oder das Einrichten eines Arbeitszimmers. Auch das wird die Tendenz zu mehr virtueller Arbeit weiter festigen.
  6. Klar ist aber auch, dass dadurch die direkte, persönliche ‚physische‘ Bindung an den/die Arbeitgeber/in nicht mehr eine so starke Rolle spielen wird wie in der Vergangenheit. Bindungsarbeit ist also notwendig und andere Formate von Anbindung an eine Organisation und an ein Team müssen entwickelt werden. Dazu gehört, dass die Präsenzzeiten, die im Büro verbracht werden, dann auch wirklich zur qualitativ hochwertigen Beziehungsarbeit genutzt werden sollten. Das muss erst gelernt werden und sich etablieren. Es braucht Formate und entsprechend ausgestattete Räumlichkeiten. h&z hat da bereits Einiges in den neuen Büros entsprechend umgesetzt. Gleichzeitig gehört der Frage, wie sinnstiftend eine Aufgabe ist, mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Eine Herausforderung für HR und die Führungskräfte.
  7. Zeitgleiche Restrukturierung und Aufbau von Digitalisierungskompetenzen wird ein Spannungsfeld für HR werden. Wie ausgeprägt ist die Restrukturierungserfahrung junger HR-Kolleg*innen? Welche kulturellen Dilemmata entstehen durch diese Parallelität? Wie löst man diese und entwickelt die Kultur gezielt weiter? – Ein weiteres wichtiges Zukunfts-Handlungsfeld für HR.
  8. Auch die Digitalisierung von HR-Prozessen im Sinne von Automatisierung, Management-/Employee Self-Service Anwendungen, die ja seit Jahren im Gange ist, wird dadurch einen weiteren Schub bekommen. Was eine alte Frage wieder in den Vordergrund schiebt: Was wird die Rolle von HR sein, wenn alle administrativen People-Prozesse im Unternehmen digitalisiert und in den Händen der Vorgesetzten sind?
    Marion Weidenhausen von Atreus sieht diese Tendenzen bereits im eigenen Unternehmen: „Wir haben bereits durch KI unterstütze Suchalgorithmen in Matching-Programme bei der Vermittlung von Interims- Managern im Einsatz. Ich stelle mir die Frage, was Eure Rolle als HR in Zukunft sein wird, wenn das die Führungskräfte irgendwann selbst machen.“.

 

Kernfrage: Was ist das Ur-eigene von HR in der Zukunft?

Dirk Haselhorst von der GEMA hat die eigentliche Kernfrage des Abends dann so formuliert:
„Wir müssen uns Gedanken machen, was in Zukunft das Ur-eigenste von HR sein wird.“


Alle waren sich einig darüber, dass die Entwicklung von – der digitalen Welt entsprechenden – Beschäftigungsbedingungen und die Begleitung der Organisationen, der Führungskräfte und der Mitarbeiter*innen im Sinne von Change Management wahrscheinlich die beiden wichtigsten Aufgaben von HR in den nächsten Jahren sein werden. Petra Pötschke berichtete von genau diesen beiden Projektsträngen in der Siemens AG: „Workforce und Workplace Transformation sind die beiden wichtigsten Projekte in HR im Moment bei Siemens.“.

Hier spannt sich ein weites Feld von Transformationsarbeit für HR auf: Von Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen, über entsprechende Workflows und Prozesse bis hin zu Veränderung der Führungskultur, Haltung und Werten im Unternehmen.

Eine kleine ‚Tiefenbohrung‘ zum Abschluss der Diskussion in Richtung Kompetenzmanagement macht die ganze Tragweite dieses Rollenwechsels von HR deutlich und alle andiskutierten Punkte des Abends wirklich greifbar:

Zwei tragende Strukturelemente in Personalarbeit sind Jobprofile und Beschäftigungsbedingungen. Diese sind Leitplanken, die in der Vergangenheit Arbeit in vielen Unternehmen zu Themen wie (Kern-)Arbeitszeiten, Aufgabeninhalten, Rollen, notwendige Kompetenzen und eine ‚fest verdrahtete‘ Verbindung mit Einkommenssystemen, Tarifverträgen oder Leistungsbewertungen standardisiert haben.
Diese starre Struktur könnte jetzt fallen und damit auch die dahinterstehenden Compliance-Instanzen wie das Arbeitsrecht, Tarifstrukturen etc. zur Neuordnung zwingen – und zwar durch Corona schneller, als jede/r das erwartet hätte.

Wenn in Zukunft sehr individuell auf die Notwendigkeiten einer Aufgabe, angepasst an die persönlichen Bedürfnisse, ein maßgeschneidertes Workplace-Konzept entstehen soll, welches Fragen wie Präsenz, abverlangte Leistungen, soziale Vernetzung in Team und Unternehmen, Einarbeitung, Ziele, leistungsgerechte und faire Vergütung oder passende Führung ganz individuell für Person und Aufgabe klärt, dann ist dies in den alten, ‚klassischen‘ standardisierten Beschäftigungsbedingen kaum möglich. Lässt eine Tätigkeit virtuelles Arbeiten von zu Hause aus zu? Wieviel persönliche Präsenz und Vernetzung ist möglich und nötig? Wie müssen Ziele, Führung und Zusammenarbeit organisiert sein? Und andererseits: Was kann ein/e Mitarbeiter*in überhaupt leisten? In welchen Verhältnissen lebt und arbeitet er/sie? Wo braucht er/sie Unterstützung?

Standardisierte (gleichförmige) Arbeitszeiten, Tarifgehälter, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsplatzausstattungen, Beschulungen, Beurteilungssysteme helfen nicht mehr weiter. Es braucht flexible Modelle in all diesen Bereichen, die erstmal entstehen müssen.
Das ist Aufgabe von HR.
Auch individuelle Verhandlung von solchen maßgeschneiderten Rollenkonzepten zwischen den Bedürfnissen des Unternehmens und denen der Mitarbeiter*innen gehören in professionelle Hände. Die meisten Führungskräfte werden damit wohl auch fachlich überfordert sein.
Sylvia Stelzer (DCS): „Wir sind als HR einfach die, die immer mit der People-Perspektive auf alle Fragen im Unternehmen blicken und alles so gestalten, dass es eine optimale Deckung von Unternehmens- und Mitarbeiterbedürfnissen kommt.“.      
Dazu gehört professionelle Empathie für die individuellen Bedürfnisse einerseits und tiefes Verständnis für die strategischen Bedürfnisse des Unternehmens andererseits. Und die Gestaltung der maßgeschneiderten Rahmenbedingungen dafür.

Das ist Human Resources Arbeit im eigentlichen und ursprünglichen Sinne – und gleichzeitig eine gewaltige Herausforderung für Arbeitsgesetzgebung, Betriebsverfassungs- und Tarifpartner*innen in den kommenden Jahren!

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