NACH DER WORKFORCE TRANSFORMATION – Vom Einkauf lernen heißt…

Human Resources steht vor großen Herausforderungen, die die Funktion verändern werden. Ich hatte in den beiden vorherigen Artikeln beschrieben, wie sich Strategisches Workforce Management auf die Kompetenzanforderungen für HR auswirken wird.
In den Diskussionen dazu bin ich gefragt worden: Was kommt eigentlich danach… Wenn wir alles transformiert haben? Wo ist eigentlich die Workforce der Zukunft?

Ich hatte 5 Jahre lang das Vergnügen, unter anderem für die knapp 8500 Mitarbeiter im Einkauf und Supply Chain eines Konzerns HR zu machen. Schon damals habe ich mir gedacht: Davon, wie der Einkauf sein Arbeitsgebiet gestaltet, können wir uns als HR ein Stück abschneiden!

Ich will hier darstellen, was das konkret sein könnte.

Die Grenzen zwischen Innen und Außen verschwimmen

Zunächst einmal eine Hypothese:
Es gibt viele Indikatoren, die darauf hindeuten, dass die Grenzen zwischen Innen und Außen einer Organisation zunehmend verschwimmen werden:

Trotz aller Bemühungen und proaktiver Workforce Transformation, wird der Anpassungsdruck durch den technologischen und gesellschaftlichen Wandel nie ganz mit bestehendem Personal erfüllbar sein. Die zunehmende Arbeitsteilung in vielen Branchen verringert konstant die Wertschöpfungstiefe. Die Home-Office Erfahrung der letzten Monate lässt Mitarbeiter weiter weg rücken vom Erlebnis „Zugehörigkeit“. Ich kenne viele Menschen, die das auch als Chance zur Autonomie für sich erkennen. Die Digitalisierung erzeugt neue Wertschöpfungsketten – ganze hochspezialisierte Branchen entstehen – etwa AI-Beratung und Datenanalyse als Service. Outsourcing, die Konzentration auf Kernkompetenzen und der flexible Zukauf von Expertise und Workforce wird naheliegender und einfacher. Die zunehmende Digitalisierung bringt immer mehr Transparenz in Märkte. Das wird eine differenziertere Nachfrage erzeugen.

Für Unternehmen hat das viele Vorteile

Unternehmen werden durch ein geschicktes Management verschiedener Ressourcenpools flexibler und von den Fixkosten her unabhängiger. Wer es schafft, externe und interne Ressourcen friktionsfrei ineinander zu integrieren, erschließt sich gleichzeitig ein großes Innovationspotenzial. Wir haben in der ‚klassischen‘ Industrie immer neidvoll auf die Automobilunternehmen geblickt. Wir hatten 50% Wertschöpfungstiefe – die hatten bis zu 80%. Wenn ein Automobilhersteller ein neues Auto baut, dann liefert der Lieferant das gesamte Armaturenbrett mit allen mechanischen und elektronischen Komponenten ans Band. Und der hat es nicht nur gebaut – sondern meist auch größtenteils selbst entwickelt – in engster Entwicklungszusammenarbeit mit der Zulieferindustrie.

Ökosysteme von Ressourcen managen

Ich bin der Ansicht, dass die Zukunft von Human Resources in Zukunft die Aufgabe haben wird, verschiedene Ökosysteme von Ressourcen aktiv zu managen. Das, was wir heute tun, indem wir etwa Leiharbeiter teilweise mitführen und gelegentlich Berater einsetzen, ist nur ein ganz kleiner, erster Schritt dahin. Wir werden in Zukunft den strategischen Kompetenzbedarf einer Organisation durch das systematische Management genauso strategisch ausgewählter Ressourcenpools managen müssen. Und dabei ist es nicht mehr nur die Herausforderung, diese Pools auf internationalen Märkten zu finden, sondern diese in ähnlicher Weise wie den eigenen Mitarbeiterstamm ans Unternehmen heranzuführen und zu binden. Die großen Tech Unternehmen im Silicon Valley machen das bereits mit ihren Entwickler Communities. Eigene Mitarbeiter müssen auf Kernkompetenzen fokussiert werden. Und dabei darf man keine Fehler machen – etwa wie die Autoindustrie 3 die Bedeutung der Batterietechnologie verschlafen hat. Teams von Lieferanten, Beratern, oder Universitäten müssen genauso effektiv zusammenarbeiten können, als würden sie zur gleichen Organisation gehören. Das Managen von Zugehörigkeit, Firmenidentität, Kompetenzen, Intellectual Property, Performance und Benefits muss durchgängig werden. Beschäftigungsbedingungen müssen sich an Marktentwicklungen anpassen können. Führung muss nicht nur eigene, sondern auch ‚fremde‘ Mitarbeiter wirksam erreichen und motivieren können. Unser deutsches Arbeits- und Tarifrecht, das stark an Zugehörigkeit ausgerichtet ist, ist im Übrigen hier keine besondere Erleichterung. Wenn sich Personalorganisationen dieser strategischen Aufgabe stellen wollen, dann bräuchte es hier ein völliges Umdenken bei der Frage was Human Ressourcen sind und wie man sie managt!

Vom Einkauf lernen

Moderne, strategische Einkaufsorganisationen haben hier Strategien, Kompetenzen und ein Rollenverständnis entwickelt, an dem man sich orientieren kann:

  1. End-to-end: Strategisch ausgerichtete Einkaufsorganisationen denken in vollständigen Wertschöpfungsketten von der ersten Innovation bis zum After Sales Service und der Ersatzteilpolitik.
  2. Early Involvement: Um dieses weite Blickfeld über sämtliche Wertschöpfungsstufen zu haben und mit entscheiden zu können, wie Lieferanten eingebunden werden können, braucht es den Einbezug des Einkaufs von Anfang an.
  3. Sourcing Strategien: Einkaufsorganisationen müssen die Lieferantenmärke und deren Reife heutzutage global gut kennen, um die richtigen Lieferanten zu finden und an das Unternehmen zu binden. Dabei spielt immer auch Risikomanagement eine Rolle, um nicht in Abhängigkeit von nur einem Lieferanten zu kommen.
  4. Verhandlungsstrategien: Der Einkauf hat – ähnlich wie der Vertrieb ausgefuchste Verhandlungsstrategien entwickelt, um etwa Leistungen bepreisen zu können und Skaleneffekte bei größeren Mengen zu heben. Übrigens ein kleiner Mythos mal hier beseitigt: die Zeiten eines Herrn Lopez in denen die Einkäufer von Automobilunternehmen kleine Lieferanten bis zum Zusammenbruch ‚geschröpft‘ und alle Risiken auf diese verlagert haben sind vorbei. Die meisten Einkäufer, die ich kenne, betreiben ein sehr symbiotische Lieferantenstrategie.
  5. Lieferantenmanagement: Zwar gehört Kostentransparenz, e-sourcing, e-bidding, etc.  zum Standardinstrumentarium, aber in den meisten ‚reifen‘ Märkten gehören Co-Development, firmenübergreifende Teams sowie gegenseitige Wertschätzung und Respekt zur Zusammenarbeitskultur mit Lieferanten. Lieferanten werden systematisch einbezogen und das Arbeitsverhältnis mit einer Vielzahl von Instrumenten systematisch gemanaged. Das reicht von Compliance- und Risiko-Fragen über die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zum Accountmanagement, um die Beziehung beiderseitig zu pflegen und Störungen zu vermeiden.
  6. Innovationsmanagement: Wie schon erwähnt kommen in reifen Industrien oft mehr Innovationen vom Lieferanten als vom eigenen Unternehmen. 8 von 10 ist da eine Zahl, die immer im Raum steht. Das volle Innovationspotenzial von spezialisierten Lieferantenmärkten systematisch zu nutzen erfordert vom Einkauf, selbst tief (auch technisch) in der Materie zu stecken.
  7. Make-or-Buy: Hier sind wir meines Erachtens am Knackpunkt angekommen. Eine wirksame Einkaufsorganisation (wie in der Automobilindustrie) muss an der Entscheidung beteiligt werden, ob für ein Produkt, eigene oder externe Ressourcen zum Einsatz kommen. Hier zeigt sich, wie gewichtig die Rolle des Einkaufs als Funktion am Tisch der Entscheider ist.

 

Was kann HR sich abschauen?

Zunächst einmal ist es für mich eine Haltungsfrage, ob man als Personalfunktion eine Gesamtverantwortung über den Bereich der angestellten Mitarbeiter empfindet. Dann ist die Frage, ob man die eigene Geschäftsstrategie als HR’ler wirklich so versteht, dass man kompetent über make-or-buy entscheiden kann.

Dann muss man die eigene Lieferantenbasis gut kennen – und das geht über die Leiharbeitsfirmen, Interim Management und Beratungsunternehmen weit hinaus. Wo brauchen wir als Organisation Kernkompetenzen – und wo nicht. Diese Kompetenzen muss man aus der Geschäftsstrategie ableiten können. Übrigens ein ‚Abfallprodukt‘ der Workforce Transformation.

Personalorganisationen können in Bezug auf Lieferantenmarktanalysen, Sourcing- und Verhandlungsstrategien sowie Vertragsmanagement sehr viel von ihrem Einkaufskollegen lernen. Und es gibt eine Vielzahl von Kooperationsmöglichkeiten zwischen Einkauf und Human Resources. Es braucht hierzu allerdings eine andere, offenere Haltung. Der Einkauf und HR sind sich in vielen Punkten sehr nahe. Beides sind zuliefernde Funktionen, die im Übrigen zusammen fast 100% der Produktionsfaktoren eines Betriebes darstellen.

Am Ende geht es dann darum, wirklich gemeinsam Ökosysteme zu schaffen, damit sich Menschen – egal welcher organisatorischer oder sonstiger Herkunft, wohl fühlen, diese fair behandelt werden und ein Klima entsteht, im Rahmen dessen hierarchiefrei auf Augenhöhe zusammengearbeitet wird. Hier zählt der Human Factor!

Zumindest in diesem Feld sollte die Stärke von Human Resources liegen, von der vielleicht auch der Einkauf etwas lernen kann.

Ich habe mit meinem Team und einer befreundeten Beratung schon mehrfach HR-Konzepte für Einkaufsorganisationen unterstützt. Warum nicht mal umgekehrt die Erfahrungswelten des Einkaufs in die HR-Organisation übertragen?

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