CORONA-PANDEMIE UND DANN? – Hybride Arbeitsformen als Modell der Zukunft

Die Freibäder und Restaurants sind voll, fast zwei Drittel der Deutschen vollständig geimpft und die ersten kommen braun gebrannt aus dem Urlaub zurück – fast schon wirkt es so, als wäre die Corona-Pandemie Geschichte. Tatsache ist, dass wir zumindest den Sommer fast wie in prä-Corona Zeiten genießen können. Doch wie sieht es in der Arbeitswelt aus? Während die Mitarbeitenden einiger Unternehmen so schnell wie möglich in die betrieblichen Büros zurückkehren, ist bei anderen das Vollzeit-Homeoffice nach über einem Jahr Corona-Pandemie zur Gewohnheit geworden. Fast die Hälfte der Arbeitnehmenden hat während der Pandemie zumindest übergangsweise aus dem Homeoffice gearbeitet, wodurch viele Unternehmensstandorte monatelang leer blieben. Unzählige Mitarbeitende haben es sich daher im Homeoffice gemütlich eingerichtet und wollen nicht oder nur teilweise zurück zur Präsenzarbeit. Sie schätzen unter anderem die größere Flexibilität, die Zeitersparnis durch die wegfallenden Arbeitswege und die Möglichkeit, zu unüblichen Zeiten zu arbeiten und sich so leichter um die Familie kümmern zu können. Außerdem kennen neue Mitarbeitende, die während der Pandemie bei einem Unternehmen angefangen haben, den Präsenz-Alltag gar nicht und waren teilweise noch nie oder nur selten im Büro. Für sie ist es daher noch ungewohnter, tatsächlich jeden Wochentag in die neue Firma zu fahren. Diese Erfahrungen haben auch die Wünsche und Bedürfnisse der Arbeitnehmenden verändert. So wollen 72% in Zukunft öfter im Homeoffice arbeiten und 83% sich ihre Arbeitszeiten flexibel einteilen, wie Umfragen des Personaldienstleisters Robert Half1 und StepStone2 ergeben haben. Auch Führungskräfte scheinen durch die Erfahrungen während der Pandemie Vorbehalte gegenüber Homeoffice abgebaut und ihren Führungsstil an Remote Work angepasst zu haben. Homeoffice wird in Zukunft daher eher Standard als Benefit sein.

Jedoch gibt es auch eine Kehrseite der Medaille. Durch die Arbeit in Distanz leiden sehr viele Mitarbeitende unter dem reduzierten sozialen Austausch und wenigen persönlichen Beziehungen mit Arbeitskolleg*innen. So fehlen mehr als zwei Drittel der Arbeitnehmenden die sozialen Kontakte im Homeoffice am meisten. Auch wir bei Breitenstein Consulting vermissen trotz täglicher virtueller Check-ins den persönlichen Kontakt. Die verminderten sozialen Beziehungen beim Arbeiten auf Distanz sind durch verschiedene Aspekte begründet. Durch die virtuellen Treffen fallen die meisten Interaktionen weg, die nicht für die eigentliche Arbeit benötigt werden. Der Plausch auf dem Weg zum Meetingraum, die gemeinsame Kaffeepause, die kurze Frage an die Kollegin, die sich zu einer intensiven Diskussion ausweitet – das alles kann virtuell nicht auf gleicher Ebene abgedeckt werden. Genau diese Interaktionen sind für den Menschen als soziales Wesen allerdings sehr wichtig, um zufrieden zu sein. Auch ist es dadurch deutlich schwieriger, ein Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen aufrechtzuerhalten oder zu entwickeln, wodurch die Mitarbeitendenbindung geschwächt wird. Zusätzlich sind virtuelle Interaktionen oft nicht so tiefgehend wie ein persönliches Gespräch. Durch den kleinen Videoausschnitt gehen viele Non-Verbal-Cues, beispielsweise Gestik und Körperhaltung, verloren. Diese sind jedoch sehr wichtig, um den*die Gesprächspartner*in richtig einschätzen zu können oder auch durch eigene Körpersprache Verständnis und Emotionen zu vermitteln. Zumindest teilweise in Präsenz zu arbeiten ist daher unverzichtbar, um sozialen Austausch im Arbeitsleben zu erhalten. Das ist auch den Arbeitnehmenden bewusst, sodass nur 4% dauerhaft im Homeoffice arbeiten möchten. Deswegen zeichnet sich ab, dass hybride Arbeitsmodelle, bei denen sowohl Homeoffice als auch Präsenzarbeit gelebt wird, die Arbeitsform der Zukunft sein werden. So können tiefe soziale Interaktionen erhalten werden, ohne die neu gewonnene Flexibilität einschränken zu müssen.

 

Transformation zu hybriden Arbeitsformen

Doch wie stellt man erfolgreich und langfristig auf hybrides Arbeiten um? Mitarbeitenden einfach nur Homeoffice zu ermöglichen kann sehr leicht dazu führen, dass sich die Unternehmenskultur negativ verändert. Beispielsweise kann der Teamzusammenhalt verloren gehen, wenn immer nur ein Bruchteil des Teams im Büro ist. Oder aber Mitarbeitende im Homeoffice fühlen sich ausgeschlossen, wenn die aktive Beteiligung an Meetings wegen fehlendem technischen Equipment nur eingeschränkt möglich ist. Daher muss eine Transformation zum hybriden Arbeiten gut geplant werden und darf nicht undurchdacht geschehen. Die folgenden drei Schritte geben Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Veränderung hin zu hybriden Arbeitsformen:

  1. Evaluation: Das vergangene Jahr im Homeoffice bietet uns eine einzigartige Möglichkeit, die Vorteile und Herausforderungen von Homeoffice und hybriden Arbeiten zu analysieren, erste Lösungsversuche und ihren Erfolg zu reflektieren und die Bedürfnisse der Mitarbeitenden sowie des Unternehmens zu eruieren. Deswegen ist es sehr hilfreich, die Erfahrungen des vergangenen Jahres zu evaluieren und mit der Präsenzarbeit vor Corona zu vergleichen, um erste wichtige Aspekte für das hybride Arbeiten im eigenen Unternehmen zu identifizieren.
  2. Zukunftsbild entwickeln: Jedes Unternehmen muss individuell entscheiden, wie es hybrides Arbeiten umsetzen will. Es gibt verschiedene Varianten von festen Homeoffice-Tagen bis hin zu Arbeitsformaten ohne jegliche Orts- und Arbeitszeitvorgaben, aus denen sich ein Unternehmen die für sich passende Form ausarbeiten muss. Hierbei ist es wichtig, die Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeitenden miteinzubeziehen, um ein umfassendes Zukunftsbild zu generieren. Dieses Zukunftsbild wird dann transparent an alle Beteiligten kommuniziert, um deren Unterstützung zu fördern.
  3. Implementieren: Für eine erfolgreiche Implementierung müssen die Rahmenbedingungen passen. Beispielsweise muss entsprechendes Equipment (z.B. Lautsprecher für virtuelle Konferenzen) angeschafft oder die Arbeitszeiterfassung im Homeoffice abgeklärt werden, sodass hybrides Arbeiten problemlos möglich ist. Außerdem ist es förderlich, bei neu aufkommenden Problemen schnell und flexibel verschiedene Herangehensweisen auszuprobieren und mit der Zeit langfristige Lösungen zu entwickeln, um die Übergangsphase möglichst gut zu überbrücken.

 

Tiefe soziale Interaktionen fördern

Unabhängig davon, wie hybrides Arbeiten im Detail umgesetzt wird, hat die Corona-Pandemie uns die Bedeutung von sozialem Austausch am Arbeitsplatz gelehrt. In Zukunft werden Büros daher immer mehr zu Orten des Austauschs und der bewussten Zusammenarbeit werden, anstatt aus reinen Arbeitsplätzen zu bestehen. Das Bearbeiten von Aufgaben kann nämlich oft genauso gut oder besser in Ruhe von zu Hause aus erledigt werden. Um diesen Wandel zu unterstützen, muss sozialer Austausch im Büro gezielt gefördert werden. Und auch, falls durch eine potentielle vierte Corona-Welle wieder alle übergangsweise von zu Hause arbeiten, ist die Aufrechterhaltung tiefer sozialer Interaktionen sehr wichtig für das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Im Folgenden sind ein paar Ideen aufgeführt, wie tiefe soziale Interaktionen im Arbeitsalltag gefördert werden können:

  • Qualitative Interaktionen fördern: Um einen tiefen Austausch zu schaffen und der anderen Person Wertschätzung entgegenzubringen ist es wichtig, in Gesprächen die volle Aufmerksamkeit auf den*die Gesprächspartner*in zu legen, aktiv zuzuhören und auch mit Blickkontakt und Körpersprache das Gespräch zu unterstützen.
  • 4-Augen-Gespräche führen: In einem Gespräch unter 4 Augen kann viel direkter auf die andere Person eingegangen werden als in Teammeetings. Außerdem können so die Wünsche und Bedürfnisse besser erkannt und angesprochen werden, wofür in Gruppenbesprechungen oft kein Raum ist.
  • Teamaktivitäten in Präsenz planen: Ob ein gemeinsames Mittagessen, ein Feierabendbier oder ein Kickerturnier – auch außerhalb der Arbeitszeit kann sozialer Austausch gefördert werden. Oft regt ein anderer Kontext oder eine gemeinsame Aktivität zu besonderen Gesprächen an.
  • Persönliche Informationen teilen: Um Mitarbeitende besser einschätzen und auf sie eingehen zu können, kann man sie dazu ermutigen, auch über persönliche Interessen, Erlebnisse und die derzeitige Lebenssituation zu erzählen. Hierbei ist es auch hilfreich, reziprok von eigenen Erfahrungen und Interessen zu berichten.
  • Anreize für Präsenzarbeit schaffen: Wenn alle von zu Hause arbeiten, gibt es kaum Vorteile selbst ins Büro zu fahren. Um wieder mehr Präsenzarbeit und Austausch zu fördern, können Anreize geschaffen werden. Beispielsweise können ‚Teamtage‘ festgelegt werden, an denen ein Team vor Ort ist und gemeinsam Mittagspause macht, oder ein Feierabendbier in der Nähe des Büros planen.

 

Die Herausforderungen der Corona-Pandemie haben unsere Arbeitswelt stark verändert und uns bewusst gemacht, wie wichtig soziale Beziehungen für das persönliche Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit sind. Daher müssen die im Dauer-Homeoffice entstandenen Erfahrungen und Erkenntnisse genutzt werden, um unsere Arbeitsform und Unternehmen zukunftsfähig zu gestalten – und auch nach dem Sommer einen hybriden Arbeitsalltag genießen zu können.

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