Workforce Transformation ist eine strategische Herausforderung für Human Resources. Dabei kommt immer wieder die uralte Frage auf: Ist das unsere Rolle als HR? Und: Haben wir dazu überhaupt die richtigen Kompetenzen? Diese Fragen möchte ich in diesem Artikel näher beleuchten. Wie immer mit praktischen Erfahrungen.
Was fordert Strategic Workforce Transformation von Human Resources?
Eigentlich ist es ja nichts wirklich Neues:
Workforce Transformation erfordert einen Blick in die Zukunft, macht Annahmen zu zukünftigen Kompetenzen, Rollen, Prozessen oder sogar Geschäftsmodellen und holt diese in die Gegenwart, um planen zu können.
Man schaut auf Technologien und Trends, macht Szenarien und Ableitungen und entwickelt Maßnahmen.
Ein Ausbildungsleiter hat schon immer auf zukünftige Kompetenzen bei seinen Azubis geachtet. Oder der Rollout von CNC Maschinen in den 90’er Jahren war auch ein Quantensprung in der Digitalisierung von Fertigung. Der Aufbau eines neuen Fertigungsstandortes in China musste geplant und durchgezogen werden.
HR hat das alles irgendwie gestemmt!
Diesmal ist es anders …
Die Dynamik und Komplexität ist höher: Digitale Technologien (Künstliche Intelligenz, Blockchain, 3D/AR, mobile Anwendungen etc.) greifen tiefer, verändern Geschäftsmodelle vieler Branchen gleichzeitig. Sie greifen jetzt eher höher qualifizierte Aufgaben an. Ein globaler Wettbewerb um Plattformen und Standards tobt. Gleichzeitig ermöglichen mobile Anwendungen die Loslösung von Standorten, geschützten Arbeitsmärkten. Andere gesellschaftliche Trends wie Demographie, Wertewandel in Richtung Diversität oder auch der begonnene Umbau des Wirtschaftssystems Richtung Dekarbonisierung verstärken, ermöglichen, beschleunigen alle diese Entwicklungen und bedingen sich gegenseitig. Für uns Europäer kommt dazu noch die Marginalisierung vieler Branchen durch bessere/schnellere asiatische Hersteller und der zunehmende Abstand zu den amerikanischen Tech-Giganten.
Diese Veränderungen vollziehen sich nicht mehr in langsamen, erkennbaren Wellen, auf die man dann reagieren kann, wenn sie da sind, sondern teilweise so schnell, dass viele unserer eingefahrenen betrieblichen Strukturen nicht mehr reagieren könnten. Unsere Arbeits- und Ausbildungsmärkte sind komplexe Systeme und damit langsam. Es bliebe am Ende nur noch der Abbau oder der Rückzug aus dem Geschäft oder das Outsourcen der jeweiligen Tätigkeit oder Mitarbeiter.
Man muss also einen Weg finden diese Trends und ihre Wirkungen auf Kompetenzanforderungen, Rolle, Prozesse oder ganze Geschäfte vorauszusehen, um früh genug Maßnahmen einleiten zu können. Ein bisschen ‚personalerische Intuition‘ beziehungswiese den ‚Riecher‘ zu haben reicht da nicht mehr. Workforce Transformation muss ein Kerninstrument von HR werden, das teilweise neue methodische und strategische Kompetenzen benötigt. Die sich aber lernen lassen.
Was braucht HR für neue Kompetenzen?
Strategic Workforce Transformation ist an einem Ende nichts anderes als Strategiearbeit. Millionen Berater und Geschäftsstrategen tun das. Das andere ist die Implementierung der Erkenntnisse in eine People- und eine Personalstrategie. Und dann natürlich Change-Management, damit es keine Luftübung bleibt.
- Awareness: So einfach es sich hier postuliert, dass in vielen Unternehmen in den kommenden 10 Jahren kein Stein auf dem anderen bleiben wird, so schwierig ist das wirklich anzunehmen. Wie erzeugt man Sense of Urgency? Wie reagiert das Business, wenn ausgerechnet der Personaler kommt und was von Digitalisierung erzählt? Und dann auch noch Ressourcen will für so ein Projekt. Diese Positionierungsarbeit im Management Team braucht eine gute Vorbereitung und Storyline.
- Projektansatz: Gute Projekte integrieren qualitative und quantitative Instrumente. Geht es um einen ganzen Produktionsprozess, ein Geschäftsmodell oder erstmal nur um eine Funktionsgruppe? WFT ist immer ein Projekt und braucht eine Projektmanagementmethode, die meist immer agile und klassische Elemente umfasst.
- Ressourcen: Workforce Transformation ist kein Workshop mal so ‚nebenbei‘. Will man es wirklich systematisch machen, braucht es Ressourcen in HR, aus dem Management und den Fachbereichen. Möglicherweise braucht es auch Berater. Und meistens erfordern quantitative Ressourcen auch ein Tool und eine Menge aufbereiteter Personaldaten. Hier reden wir (auch bei agilen Ansätzen!) erstmal über eine klassische Projekt-Ressourcenplanung. Und dann natürlich einen ordentlichen Kick-off.
- Trendanalyse: Was sind die relevanten Trends, die Impact auf unser Geschäft haben werden? Wie gesagt überlagern sich oftmals viele Trends. Hier muss man sich auf Recherche begeben und vor allem in Szenarien denken und arbeiten können. Das ist ein hochgradig kreativer Prozess, der viel mit agilen Instrumenten oder Design Thinking zu tun haben wird. Und es ist immer auch eine Reduktion auf entscheidende Treiber und Wirkgrößen – auch um später etwa ein IT-Tool damit noch sinnvoll füttern zu können. Strategen lernen Spekulationen zu quantitativen Tatsachen zu machen. Oder zumindest evidenzbasiert zu argumentieren. Da kann man sich viel abschauen.
- Impact-Analyse: Es geht immer darum, zu prognostizieren, wie sich Veränderungen in Technologien, Märkten, etc. auf die eignen Rollen, Prozesse oder Geschäfte auswirken. Am Ende denken HR’ler immer in Rollen und Kompetenzen. Und genau da muss man am Ende hin. Das ist eine Ebene tiefer als Geschäftsstrategen üblicherweise denken. Diese Übersetzungsarbeit ist, meiner Ansicht nach, der ganz originäre Beitrag von HR. Alles muss am Ende runter auf Rollen, Kompetenzen und die notwendigen Zahlen dahinter. Ob mit Tool oder ohne.
- People-Strategie: Nie hat es mehr Sinn gemacht zwischen einer People- und einer HR-Strategie zu unterscheiden. In eine People-Strategie fließen mehr Dinge ein als ‚nur‘ Trendanalysen und deren Impact auf Jobs. Sondern ein Geschäft hat möglicherweise davon unabhängig Wachstumspläne, Strategiewechsel, regionale Aufbaupläne, neue Produkte. Das alles zusammen zu einer sinnvollen, mit der Geschäftsstrategie abgestimmten People-Strategie für einen Zeitraum von 3-7 Jahre zu bekommen – plus das Commitment des Top-Managements. Das ist die Herausforderung.
- HR-Strategie: Wir unterscheiden bei Breitenstein immer die People-Strategie von der HR-Strategie. Eine People-Strategie umfasst alle Aspekte, die den Einsatz von Menschen in einer Organisation betrifft. Eine HR-Strategie ist eine Funktionsstrategie, die die People-Strategie im Kern unterstützt. Aber HR ist nicht die einzige Funktion, die eine People-Strategie umsetzen muss – sondern alle. HR stellt dazu die Werkzeuge zur Verfügung. Workforce Transformation braucht diese Unterscheidung, um klar zu machen, dass es keine funktionale Aufgabe der Personalorganisation ist, sondern immer wesentlicher Teil der Geschäftsstrategie sein muss. Und gerade dadurch lässt sich HR wesentlich strategisch neu positionieren und auch notwendigen Ressourcen einfordern als in der Vergangenheit
- Controlling: Nie war es so wichtig wie heute. Ist man einmal in einer quantitativen Planung (und sei sie auch noch so rudimentär mit vielen unsicheren Parametern geschätzt) angekommen, ist man in der Lage KPIs als Controlling-Größen zu definieren. Und zwar weit oberhalb des Niveaus von Kopfzahlen und Personalkosten. Diesen strategischen Vorsprung aufzugeben wäre sträflich. Zumal solche durch Trends induzierten Prognosen natürlich volatil verlaufen und man sich der Falsifikation nur entziehen kann, wenn man mehrere Parameter hat, um den Überblick zu behalten. Dann kann man auch rechtzeitig die WTP nachschärfen.
- Change-Management: Wie im letzten Artikel dargestellt, sind eine der wichtigsten Wirkungen die Pull-Effekte solcher Szenarien. Dadurch, dass Menschen sie verstehen, auf die eigene Zukunft prognostizieren und darauf zu laufen. Deshalb ist Change-Management ein sehr wichtiger Hebel um die (plausibilisierten und quantifizierten) Szenarien und Maßnahmen darzustellen. Warum machen wir jetzt diese Umorganisation? Warum ist dieses Seminar so wichtig? Warum brauchen wir einen neuen Ausbildungsgang oder ein neues Traineeprogramm? Hier muss man die Planungen und Szenarien auch richtig verkaufen können. Strategic Storytelling und eine Kommunikationsstrategie ist zu entwickeln.
- Skalierung und Iteration: Es ist sehr wahrscheinlich, dass man mit so einem Prozess erstmal klein anfängt – etwa bei einer Funktionsfamilie. Dabei sieht man Erfolge und lernt fürs nächste Projekt. Und bei jedem weiteren fallen Erkenntnisse und Maßnahmen ab, die sich skalieren lassen. Möglicherweise zu einem immer konsistenteren Gesamtbild und einer Vision für die Organisation als Ganzes.
Wir haben Erfahrung und Instrumente für solche Projekte und bieten auch Curricula zur Kompetenzentwicklung für Human Resources Mitarbeiter an, um solche Projekt aufsetzen und leiten zu können.