Welche Arbeitsform passt zu uns? Ein Readiness Check.

Der Trend von der klassischen Hierarchie zu agileren Arbeitsformen ist ungebrochen.

Aber welche Organisation und welches Führungsmodel passt wirklich zu uns? Das fragen sich viele unserer Kunden.

Bei genauerem Hinsehen gibt es ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Organisationsformen und Führungs- und Zusammenarbeitskulturen zwischen klassischer Hierarchie und radikaler Selbstorganisation in Teams. Kaum ein klassisches Unternehmen wagt den radikalen Sprung wie ihn Brian Robertson in ‚Holocracy‘ für sein Unternehmen eindrucksvoll beschrieben hat. Und umgekehrt: ich kenne viele Start Ups, die – agil gestartet – sich irgendwann im Wachstum ein paar klassischere Strukturen zulegen, um skalieren zu können.

Es kommt unserer Erfahrung nach auf die langfristige Entwicklungsrichtung und vor allem den richtigen nächsten Schritt im Reifegrad einer Organisation an. Es bringt nichts als Berater blind in Richtung maximaler agiler Selbstorganisation zu trommeln.

Es gibt meiner Ansicht nach für jedes Unternehmen ein individuelles Optimum auf der Skala zwischen Hierarchie und Agilität das eine ganze Reihe von Faktoren bestimmen:

  1. Strukturelle Faktoren wie die aktuelle Organisation, Marktumfeld und die Strategie und Art der Wertschöpfung eines Unternehmens. Wie groß ist etwa das Disruptionspotenzial oder der Fachkräftemangel einer Branche?
  2. Führung und Kultur einer Organisation – etwa Führungsebenen und gelebte Rollen, Entscheidungsstil, Werte, Veränderungsbereitschaft und Erfahrungen mit Verantwortungsübernahmen und Selbstorganisation. Wie wird üblicherweise entschieden? Hier gehören auch agile Methoden wie SCRUM oder verwandte Instrumente wie etwa LEAN, Kaizen etc. dazu.
  3. Ordnungssysteme: Wie sehen Funktionsbeschreibungen und Wertigkeiten, Business Titles und Aufgabenbeschreibungen aus? Wie sieht das Einkommensmodell, Zielkaskaden oder Karriere Modelle aus? Gibt es ein Performancemanagement?

Der letzte Punkt ist ein kritischer, der in Agilisierungsprojekten oft vergessen wird. Begeisterung zu der kreativen und befreienden Kraft agiler Methoden und Teams lässt sich leicht entfachen. Und die ersten Erfahrungen sind oft für alle Beteiligten sehr ermutigend. Oft kommt dann eine Durststrecke, denn mittelfristig lässt sich eine Organisation nicht gegen den Strich bürsten:

Tief gestaffelte Funktionswertigkeiten oder ungleiche Eingruppierungen behindern irgendwann die Kommunikation auf Augenhöhe in selbstorganisierten Teams. Abgegrenzte Rollenprofile mit Aufgaben und Eingruppierung behindern Verantwortungsübernahme. Nach Seniorität gestaffelte Einkommenssysteme, Informationszugang oder Zielkaskaden beißen sich mit Rollenflexibilität.

Wenn sich Selbststeuerung, dezentrale Entscheidungen und Verantwortungsübernahme (Ownership) als Organisations- und Führungsprinzipien durchsetzen sollen, müssen die betrieblichen Ordnungssysteme und tools in die gleiche Richtung lenken – zumindest nicht bremsen. Einfach Abteilungen in SQUADS und Tribes umzubenennen ist oft zu kurz gesprungen. Und das kann und sollte meiner Ansicht nach schrittweise und aufeinander abgestimmt erfolgen.

Menschen haben Bedürfnisse und einen siebten Sinn für solche Inkonsistenzen, die Glaubwürdigkeit kosten.

Es gibt bestimmte Gruppen in solchen Veränderungsprozessen, die dabei besonders sensibel sind:

  • An erster Stelle die Teamleiter. Die haben sich in der Vergangenheit ‚hinauf‘in diese erste Führungsebene gearbeitet – inklusive disziplinarer Verantwortung, Jobtitel, Gehaltserhöhung, Potenzialaussage oder privilegiertem Zugang zu Informationen. In Zukunft den SCRUM Master geben zu dürfen, ist oft kein Ersatz für die verlorenen Privilegien und Karriereaussichten. Und die positive Erfahrung wieviel Spaß Arbeit in hoch performanten agilen Teams machen kann und wieviel mehr man dabei über Führung lernen kann, ist oft noch weit weg.
  • Die Bereichsleiter haben meist weniger (Macht) zu verlieren als die Teamleiter – die Rolle bleibt eine verantwortungsbündelnde – ihnen fehlen nur zunächst die Teamleiter als gewohnte Ebene zur Delegation von Verantwortung. Führung wird komplexer im Spiel mit agilen Teams. Bereichsleitern fehlt es oft an Fähigkeit zu komplementärer ‚ziehender‘ Führung und Geduld, Teams einfach mal machen zu lassen – und besonders auch mal Fehler. Ein Führungsvakuum zu kreieren, um Teams zu motivieren, es mit selbstorganisierter Verantwortung zu füllen kann nicht jede(r).
  • Mitarbeiter*innen in den neuen selbstorganisierten Teams erleben oft die Dilemmata ihrer (ehemaligen- jetzt gleichgestellten) Vorgesetzten. Und es fehlt ihnen vielfach auch an Methoden und Erfahrungen in Selbstorganisation – etwa, wenn es darum geht als Team effektiv Entscheidungen zu fällen. Langfristig belasten auch ‚mitgebrachte‘ Unterschiede in Eingruppierung, Einkommen, Funktionen ein echtes egalitäres Zusammenspiel.
  • Die Personalorganisation muss an drei Fronten gleichzeitig kämpfen:
    Führungskräfte und Teams brauchen Betreuung und Werkzeuge,
  • die für Agilität manchmal ‚dysfunktionalen‘ Ordnungssysteme müssen angepasst werden (meist im Rahmen einer HR-Digitalisierung zu mehr Selbststeuerung)
  • und oft muss die Personalfunktion selbst Hierarchieent-lernen‘ und Erfahrungen mit Agilität in der eigenen Organisation machen.

Das ist alles sehr viel auf einmal und kann eine Organisation überfordern, weil es Dilemmata für alle Beteiligten erzeugt.

Wir haben aus unseren Erfahrungen gerade mit vielen mittelständischen Unternehmen unser eigenes ganzheitliches Beratungsmodell so weiterentwickelt, dass drei Fragen am Anfang stehen, die wir mit dem Führungsteam bearbeiten:

  1. Was ist das Organisations- und Führungsmodell (zwischen klassischer Führung und Selbstorganisation), dass zum Unternehmen und der Branche wirklich passt?
  2. Was ist ein sinnvoller nächster Schritt für uns auf diesem langfristigen Pfad, den das Unternehmen glaubwürdig und authentisch gehen kann.
  3. Wie kann man Führungs- und Personalsysteme entsprechend umgestalten, dass sie widerspruchsfrei sind und ‚Zug‘ in Richtung Verantwortungsübernahme erzeugen.

Bereits agile Unternehmen – etwa im Bereich IT- stehen vor den gleichen Fragen, wenn es um die Skalierung in mehr Wachstum oder Internationalisierung geht – bloß umgekehrt. Wie erhalten wir unsere Kultur mit mehr Struktur, wenn wir uns verdoppeln? Was passt zu uns an Strukturen und Systemen?

Erst die Beantwortung dieser Fragen in einer systematischen und strukturierten Analyse geben einem Führungsteam alle Bausteine um eine echte ‚Transformation Journey‘ zu entwickeln, die berechenbar zum Ziel führt. Unser Reifegradmodell hilft dabei.